ISMPS

INSTITUT FÜR STUDIEN DER MUSIKKULTUR

DES PORTUGIESISCHEN SPRACHRAUMES


MUSIK IN GLOBALEN PROZESSEN

São Tomé & Príncipe


kulturwissenschaftlich orientierte Musikstudien &

musikwissenschaftlich geleitete Kulturstudien

Kontexte


Guinea-Bucht | Äquatorialguinea | Bioko und Ano Bonn/Annobón | Liberia (südlich Kap Palmas) | Elfenbeinküste | Ghana | Togo | Benin | Nigeria | Kamerun | Gabun (nördlich Kap Lopez)


e.V.
1968 - Brasilien
1985 - Deutschland



Vorsitz

Prof. Dr. Antonio Alexandre Bispo

Universität Köln


Die Inseln São Tomé und Príncipe in der Guinea-Bucht – auch Bucht von São Tomé genannt – gehören zu den Kontexten, die zu den Forschungsaufgaben des ISMPS zählen. Die Studien sind im Sinne der Zielsetzungen des Instituts zu verstehen. Sie sind Ergebnisse von Entwicklungen, die zu dessen Gründung 1985 geführt haben. Diese reichen zurück auf eine Bewegung zur Erneuerung der Kultur- und Musikstudien, die in Universitätskreisen Brasiliens in den 1960er Jahren entstand.


Nach dieser theoretischen Orientierung dient São Tomé & Príncipe als Referential zur Betrachtung von Prozessen innerhalb eines Netzwerkes von Beziehungen, das es mit den angrenzenden Staaten der Guinea-Küste, Angola, anderen atlantischen Inseln, mit Europa, aber auch mit lateinamerikanischen und karibischen Ländern verbindet. Die Studien beschränken sich nicht auf den heute unabhängigen Staat oder das Archipel, sondern betreffen umfassendere Entwicklungen.


Gegenstand der Studien: Musik in Kulturprozessen


Die Aufmerksamkeit der Analysen richtet sich auf die Rolle der Musik bei Kulturprozessen, die u.a. durch Besiedlungen, Kontakte, Handelsbeziehungen, Missionierungen, Ein- und Auswanderungen sowie durch Wechseleinflüsse, Rezeption und Verarbeitung von Impulsen und Tendenzen, durch spontane und geleiteten Faktoren, u.a. durch Bildung, Erziehung, Propaganda, Werbung u.a. entfacht werden.

 

Die Vorgänge der Überführung von Afrikanern aus oder über São Tomé zu den Ländern Süd- und Mittelamerikas sowie der Karibik im Rahmen des Sklavenhandels werden mit besonderer Aufmerksamkeit betrachtet. Damit werden auch Entwicklungen auf der Inselgruppe aus Perspektiven studiert, die durch die Distanz des amerikanischen Erdteils bedingt sind. Integrations- und Assimilationsprozesse, Verharrung in Traditionen, Adaptationen, Kulturwandlungen u.a. Verläufe treten in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Damit werden auch Kontexte zum Gegenstand von Studien, in denen die portugiesische Sprache nicht mehr vorherrscht.


Bedeutung von São Tomé für Kultur- und Musikstudien


São Tomé und Príncipe sind durch ihre geographische Lage in der Guinea-Bucht des westlichen Afrikas, durch ihre Geschichte, Traditionen sowie ihre gegenwärtigen Entwicklungen für Studien von Kulturprozessen in globalen Zusammenhängen von besonderer Bedeutung. Wenn auch ungenügend beachtet und präsent in der allgemeinen Aufmerksamkeit, darf São Tomé in der Kulturforschung nicht vernachlässigt werden. Seine Berücksichtigung ist für die Untersuchung von atlantischen und transatlantischen Beziehungen, für euro-afrikanische, innenafrikanische und afro-amerikanische Interaktionen unentbehrlich.


Die Entdeckung von São Tomé und Antão (bereits früh in Príncipe unbenannt) erfolgte bereits im 15. Jahrhundert. Die Entdeckung fügt sich in die sich immer mehr nach Süden ausdehnenden Erkundigungen des westlichen Afrikas durch die portugiesischen Seefahrer und Händler ein. Diese bemerkenswert frühe neuzeitliche Geschichte der Insel erklärt die Bedeutung von São Tomé für Studien der europäischen Expansion des ausgehenden Mittelalters und der beginnenden Renaissance. Auffassungen, Kult- und Festpraktiken des ausgehenden Mittelalters wurden auf die Insel übertragen und bestimmten ihre kulturgeschichtlichen Anfänge.


Die Inseln wurden zu einer Epoche von Portugal entdeckt, die als Zeit der Hochblüte eines verfeinerten und glanzvollen Kulturlebens, aber zugleich von religiösen Spannungen und Aufbruchsbestrebungen in die Geschichte eingetreten ist. Der unternehmerische Drang und der Kampfgeist erfolgten im ideologischen Zeichen einer Fortsetzung der Reconquista im Kampf der Christen gegen dem Islam. Die Erinnerung an Karl d. Gr. und an Ereignisse und historische Schlachten der Reconquista bleibt im Gedächtnis und in Volkstraditionen São Tomés und in Brasiliens lebendig. In der Folge historischer Prozesse trat die tragische und folgenschwere Verfolgung, Unterdrückung, Vertreibung bzw. Zwangschristianisierung der Juden aus den iberischen Ländern ein, was sich auf die Geschichte von São Tomé auswirkte. Die Quellen berichten von mehreren Tausend jüdischen Kindern, die zu den abgelegenen Inseln in der Guinea-Bucht gebracht wurden, wo sie in der fernen Abgeschiedenheit eine christliche Erziehung erhalten sollten.


Auf den wohl zunächst unbewohnten Inseln entstanden Institutionen und entwickelte sich ein europäisch geprägtes Kultur- und Musikleben, das im Verlaufe des 16. Jahrhunderts an Bedeutung gewann. Mit der Errichtung einer eigenen Diözese als Suffragan von Madeira wurde eine kirchliche Instanz geschaffen, deren Jurisdiktion nominell sich über einen ausgedehnten Raum Afrikas erstreckte. São Tomé wurde zu einem Zentrum der Verbreitung von kirchlichen Reformbestrebungen sowie der Vorgaben des Trienter Konzils in Afrika. Afrikaner aus verschiedenen Gebieten erhielten vor ihrer Verschiffung nach Amerika eine verchristlichende Umerziehung auf São Tomé und damit eine europäisch geprägte Kulturformung. Die Bedeutung von São Tomé für Musikstudien wird aus den historischen Quellen für die ersten Jahrhunderte ersichtlich. Diese sprechen u.a. für eine hohe Stellung der Kirchenmusikpraxis in der Domkirche von São Tomé, die gar einen Modellcharakter für andere Kirchen Afrikas annahm.


Durch Naturgewalt und Angriffe anderer europäischer Nationen wurde diese Phase der Geschichte beendet. Die Betrachtung dieser Vergangenheit bedeutet, sich gleichsam mit einer versunkenen Epoche zu befassen. Diese lebt aber in Überlieferungen und in der Bildersprache von Kult- und Festtraditionen vielfach fort.


Auch die Entwicklungen der folgenden Jahrhunderte ist für Kulturstudien in globalen Zusammenhängen von Bedeutung. Das Leben auf den Inseln wurde von der Landwirtschaft bestimmt, die auch zur Ansiedlung von Arbeitskräften aus dem afrikanischen Festland, vor allem aus Angola, und aus anderen atlantischen Inseln führte, u.a. aus Madeira und Kap Verde. Dem Zyklus des Zuckerrohrs folgte der des Kaffees und Kakaos im 19. Jahrhundert. Damit erklären sich Parallelen zu Vorgängen in wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Hinsicht zwischen den Thomas-Inseln, Brasilien und der Karibik. Auch hinsichtlich des 18. und 19. Jahrhunderts richtet sich der Blick auf grenzübergreifende Entwicklungen innerhalb der atlantischen Inselwelt, zwischen dieser und dem Festland sowie dem amerikanischen Erdteil.


Für die Entwicklungen der rezenten Vergangenheit und der Gegenwart gilt ebenfalls, dass die Kulturstudien nicht auf die Inseln selbst begrenzt sein dürfen. Die Unabhängigkeit der Inseln wurde von ideellen, politischen und kulturpolitischen Bewegungen vorbereitet, die vor allem von außerhalb des Landes – wie von Ghana seit 1960 – ausgingen. 1970 wurde die Befreiungsbewegung MLSTP gegründet.

 

Eine die Grenzen der insularen Welt übergreifende Perspektive ist vor allem auch notwendig, um die Entwicklungen unter kulturwissenschaftlichen Aspekten zu betrachten, die in den Jahrzehnten nach der Unabhängigkeit erfolgten. Zu ihnen zählte die Entstehung von Migrantengruppen in europäischen Zentren, die für die internationale Projektion von São Tomé und Príncipe maßgebend sind.


Aktualität von Kultur- und Musikstudien von São Tomé


São Tomé hebt sich in der Gegenwart durch die Bestrebungen zur Förderung der Gemeinschaft lusophoner Länder Afrikas hervor. Die Bedeutung von São Tomé für die lusophonen Kultur- und Musikstudien wurde durch die Gründung des ISMPS 1985 ins Bewusstsein der Kultur- und Musikforschung gebracht. Erst 1996 wurde dann die Gemeinschaft lusophoner Länder (CPLP) gegründet. Für eine kulturwissenschaftlich orientierte Musikbetrachtung ist die Bedeutung São Tomés in seiner Popularmusik begründet, die weltweite Verbreitung erfährt. Im Musikschaffen treten vor allem Migranten in den europäischen Zentren hervor. Diese Musikproduktion zeichnet sich durch einen hohen Grad theoretischer Reflektiertheit aus. Von diesen Musikern ist Nelson Barbosa hervorzuheben, der Initiator des Projekts Lisboa Azul eine Vereinigung für urbane Ökologie, der sich in seinem diskographischen Projekt Pensa nisto!  gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Intoleranz einsetzt.


Entwicklung der Kultur- und Musikstudien von São Tomé


São Tomé trat in den Fokus der Kulturstudien im portugiesischsprachigen Raum im Rahmen der Volkskunde in Brasilien der 1960er Jahre. Dieser Forschungsbereich stand im Zeichen von Bestrebungen der theoretischen Erneuerung der Folklore-Forschung. Diese zielten auf die Entwicklung einer empirischen Kulturwissenschaft, die den Anforderungen der Gegenwart entsprechen sollte. Der Blick sollte auf Vorgänge gerichtet werden, auf die Kulturdynamik, auf Wandlungen, u.a. auf Diffusions- und Rezeptionsprozesse, auf Assimilations- und Integrationsvorgänge.


Die Überlegungen bezüglich São Tomé gingen von den volkskundlichen Studien zu den tradierten Reiterspielen und Darstellungen aus, die im Brachtum des Festjahres an die Reconquista Europas im Mittelalter erinnern. In ihnen werden Episoden der Kämpfe von Christen gegen den Islam bzw. gegen „Mauren“ inszeniert. Die Gestalt Karls d. Gr. wird gefeiert. Im Bestreben zur Erweiterung der Perspektiven über nationalistische Sichtweisen hinaus wurde nach entsprechenden Festtraditionen in anderen Ländern Lateinamerikas, Europas, Afrikas und Asiens gesucht. Dabei wurde die Aufmerksamkeit auf den Tchiloli von São Tomé und Príncipe und dessen herausragende Bedeutung für die Kultur dieser Inseln gerichtet.


1972 wurde São Tomé erstmals in den Hochschulstudien berücksichtigt. Das damals portugiesische Überseegebiet wurde im Rahmen des Fachbereichs Ethnomusikologie der Fakultät für Musik und Kunsterziehung des Musikinstituts São Paulo behandelt. Der Fachbereich wurde erstmals in den lusophonen Ländern auf universitärer Ebene institutionalisiert. Ausgehend von den volkskundlichen Studien über Traditionen, die Parallelen zu denen von São Tomé aufweisen, wurde das Land unter ethnologischen bzw. kulturanthropologischen Perspektiven betrachtet. Fokussiert wurde vor allem die ethnische Komplexität, die aus der Eigentümlichkeit der Besiedlung der Inseln sowie den Beziehungen zu den umgrenzenden Gebieten des afrikanischen Festlandes und zu Kap Verde resultiert. Die konfliktreichen Entwicklungen der Unabhängigkeitsbewegungen in den ehemaligen portugiesischen Überseegebieten Afrikas führte zu einer Wende des Interesses. Die Entwicklungen wurden vor dem Hintergrund der historischen Prozesse diskutiert, die zu den gegenwärtigen Zuständen und Entwicklungen geführt hatten. In Konferenzen in Brasilien und Portugal 1973/74 wurde die Notwendigkeit hervorgehoben, eine Neuorientierung der Kultur- und Musikstudien anzustreben, die der neuen politischen Realitäten adäquat war.


1975 | Quellen zur Kultur- und Musikgeschichte von São Tomé


Die Erhebung und Erforschung historischer Quellen zu São Tomé setzte 1975 ein. Archive und Bibliotheken verschiedener europäischer Länder wurden konsultiert. Hervorzuheben sind die Besprechungen im Afrika-Museum in Tervuren sowie im Musikinstrumentenmuseum in Brüssel. Studien der missionarischen Dokumente erfolgten in Bibliotheken von Ordensgesellschaften wie des Missionsinstituts in St. Augustin bei Bonn sowie und vor allem im Archiv der früheren Kongregation der Propaganda Fide in Rom.


Die Aufmerksamkeit richtete sich auf die kontextgerechte Lektüre von Notizen von kultur- und musikgeschichtlichem Interesse. Sie wurde eingeleitet durch Überlegungen über die theologische und kirchengeschichtliche Bedeutung des Thomas im Rahmen der 12 Apostel, da sein Gedenken über die Jahrhunderte das kirchliche Leben auf der nach ihm benannten Insel prägte. Sein Festtag fällt in den Dezember sowie die von Antonius d. Gr. als Schutzpatron von Príncipe in den Januar und somit in den Advents-, Weihnachts- und Epiphaniekreis. Ausgangspunkt der Quellenforschung war eine Notiz über Musik im Testament des Kaptäns Álvaro Caminha (†1499). Besonders beachtet wurden die Hinweisen über die Kirchenmusik sowie über die Einsetzung der Musik in der Missionsarbeit. Wichtige Ereignisse wie die Gründung der Diözese von S. Thomae in Insula als Suffragan der Erzdiözese von Funchal, später von Lissabon, wurden Gegenstand von Besprechungen kirchengeschichtlicher Zusammenhänge. Eine besondere Aufmerksamkeit galt Diogo Ortiz de Llegas (†1534), dem Bischof von Ceuta (1540) und Primas von Afrika, wegen dessen Rolle bei der Propagierung des römischen Ritus in São Tomé. Über die Bedeutung der Bulle Gratiae divinae praemium für São Tomé als wichtigem Ort der Verbreitung der katholischen Reform bzw. Gegenreformation in Afrika wurde mit Theologen gesprochen. In diesem Zusammenhang wurde die 1540 erfolgte Ernennung D. Bernardo da Cruz zum Bischof wegen dessen Rolle bei der Durchsetzung der kirchlichen Reformen berücksichtigt.


Auf die Wirkungsweisen der Ordensgesellschaften in ihren Eigenarten und Traditionen wurde bei der Betrachtung des Wirkens der kirchlichen Autoritäten auf São Tomé eingegangen. Die Bedeutung der Franziskaner und der franziskanischen Spiritualität sowie der Präsenz der Dominikaner auf São Tomé wurden untersucht. Die Gestalt von João Baptista OP (†1552) und seine Maßnahmen zur Christianisierung aller Sklaven, die auf der Insel landeten, durch Übersetzer (seit 1556) wurden eingehend besprochen. Die Verkündigung der Bulle Benedictus Deus (1564) und die Gestalt von D. Gaspar Cão bei den Bestrebungen zur feierlichen Gestaltung des Kultes nach tridentischen Reformidealen sowie eine dominikanische Prägung des Kirchenlebens in São Tomé wurden Gegenstand von Debatten. Sie lassen einen Rigorismus inquisitorischer Art vermuten. Auch lassen sich in diesen Zusammenhang die Maßnahmen zur Bekämpfung von Aberglauben und Überwindung von Mißbräuchen in der Diözese von São Tomé und im Kongo-Reich einordnen, von denen die Quellen sprechen. Zugleich bezeugen sie die Bedeutung der Kirchenmusikpflege und der Redekunst bei Kulthandlungen und der Katechese. Dies verlangte Gesangsunterricht für Kinder und Bildung eines einheimischen Klerus. Bereits in der Zeit der Regierung von D. Sebastião (1554-1578) gab es ein Projekt zur Errichtung von Seminaren auf den atlantischen Inseln von Kap Verde und São Tomé. Die musikalische Ausbildung der Kinder ermöglichte die Entstehung eines Chores von Sängerknaben, der in einem Dokument über den Stand der Kirchenmusik auf São Tomé des Jahres 1615 erwähnt wird.


1977 | São Tomé in der empirischen Kultur- und Musikforschung


Bei einem ethnomusikologischen Symposium im Rahmen des Internationalen Kongresses für Kirchenmusik in Bonn/Köln 1979, das vom Institut für hymnologische und musikethnologische Studien (Köln/Maria Laach) veranstaltet wurde, wurden die gegenwärtigen Tendenzen in der geistlichen Musik Zentral- und Ostafrikas besprochen. Wege zur Schaffung einer kulturell geeigneten Kirchenmusik wurden erörtert. Die Teilnehmer aus portugiesischsprachigen Ländern Afrikas hoben allerdings die Notwendigkeit hervor, dass die Kulturprozesse, die seit der Entdeckungszeit in außereuropäischen Ländern im Gange sind, nicht außer Acht bleiben dürfen. Damit wurde eine Reihe internationaler Symposien initiiert, in denen São Tomé und Príncipe unter verschiedenen Aspekten berücksichtigt wurden. 1981 wurden sie Gegenstand des internationalen Symposiums Kirchenmusik und brasilianische Kultur in São Paulo, das die Reihe dieser Tagungen in Brasilien und Europa eröffnete.  Festtraditionen wie die Reiterspiele wurden Gegenstand der Betrachtung und von Diskussionen einer internationalen Kommission von Musikethnologen und Theologen. Bei einer Sitzung im Museum für Volkskünste und -handwerk der Brasilianischen Gesellschaft für Volkskunde wurden der Stand der Forschung und die Entwicklung von Projekten in Kooperation mit dem Institut für Vergleichender Musikwissenschaft der Freien Universität Berlin erörtert.


1989 | Musik in Kulturtraditionen und Synkretismus in São Tomé


Bei der Gründung des ISMPS im Europäischen Jahr der Musik wurde an die europäischen Traditionen gedacht, die in São Tomé weiterleben. Vor allem das Gedächtnis an Karl d. Gr. in Überlieferungen verlangte eingehende Beachtung. Im Rahmen des Projekts Music in Life of Man des Internationalen Musikrates (UNESCO) wurde dieses Phänomen bei der Diskussion um „Kulturtransplantationen“ im Regionaltreffen für Lateinamerika und die Karibik 1987 erwähnt. Das Thema wurde erneut beim internationalen Symposium Christliche Traditionen und Synkretismus diskutiert, das 1989 in mehreren Städten Deutschlands stattfand. Dabei wurden die Bedeutung und Besonderheiten der Traditionen des Jahreskreises auf São Tomé in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für die Länder portugiesischer Sprache in Afrika an der Universität Köln besprochen. Rezente volkskundliche Forschungen zu den Traditionen der Congos in Brasilien in Parallelen zum Danço Congo in São Tomé wurden vorgestellt. Religiöse bzw. magische Praktiken wurden u.a. am Beispiel des D’jambi vergleichend betrachtet.


1989 | Kultur und Musik von São Tomé in Europa


1989 fand im Anschluss an Besprechungen in Madeira zu atlantischen Studien anlässlich der Partnerschaft Funchal/Santos ein Kolloquium in Köln zu rezenten Migrationen aus lusophonen Ländern in Europa statt. Ausgangspunkt der Besprechungen war die Wirkung von Werken von Balthasar Dias aus Madeira auf den Inseln der Guinea-Bucht. Volkskundler wiesen auf Paralllelen zu brasilianischen Traditionen hin. Die Notwendigkeit der Analyse der Bildersprache dieser Überlieferungen und Autos wurde hervorgehoben. Im Mittelpunkt der Besprechungen standen die Tragédias von São Tomé, insbesonderes das Auto de Floripes.  


1992 | São Tomé in der Grundlagenforschung der Musikkultur


1992 wurden bei einem internationalen Kongress anlässlich des 500. Jahres der Entdeckung Amerikas in Rio de Janeiro die Grundlagen der Musikkultur im portugiesischsprachigen Raum unter verschiedenen Aspekten diskutiert. Dabei erlangte São Tomé durch die früh erfolgte Ankunft der Europäer und seine Rolle in den ersten Jahrhunderten nach der Entdeckung eine besondere Bedeutung. Die Traditionen, die sowohl in Brasilien als auch in São Tomé festzustellen sind, wurden durch Volkskundler und Afrikanisten besprochen. Unter ihnen hoben sich die Reiterspiele mit Inszenierungen hervor, die sich auf die Reconquista beziehen. Der Stand der Forschung zu den Cavalhadas, die vor allem auch in historischen Städten Zentralbrasiliens weiterleben, wurde von Vertretern der Brasilianischen Gesellschaft für Volkskunde dargestellt.


1997-2001 | Kultur- und Musikforschung in globalen Zusammenhängen


São Tomé wurde in der Vorlesungsreihe Musik in der Begegnung der Kulturen eingehend berücksichtigt, die am Musikwissenschaftlichen Institut der Universität Köln von 1997 bis 2001 veranstaltet wurde. Die Studien, die seit Jahrzehnten im portugiesischsprachigen Raum durchgeführt worden waren, wurden besprochen. Sie sollten zur Entwicklung einer Musikgeschichte in globalen Zusammenhängen beitragen und die Notwendigkeit hervorheben, bei der musikethnologischen Forschung die historischen Prozesse adäquat zu berücksichtigen. Ausgehend von der kontextgerechten Auseinandersetzung mit den Quellen und den Ergebnissen der empirischen Kulturforschung wurde die Rolle der Musik in Kulturprozessen mit São Tomé als Bezugspunkt von Kontexten und Netzwerken betrachtet. Die rezenten Entwicklungen der Musik São Tomés und der Migrantenkreise in den USA und Europa wurden schließlich berücksichtigt.


1998 | São Tomé in der Musik- und Kulturanthropologie


Aspekte der Bildersprache der Spiele von São Tomé wurden 1998 im Rahmen des Kolloquiums über musikanthropologische Auffassungen in tradierten Spielen behandelt, das in Zusammenarbeit von deutschen, brasilianischen und portugiesischen Universitäten in verschiedenen Städten Brasiliens veranstaltet wurde. Es griff Gespräche auf, die als Vorbereitung zur Gründung des ISMPS 1985 in Frankreich am Zentrum für Studien fundamentaler Anthropologie in der ehemaligen Abtei Royaumont stattgefunden hatten. Die Inszenierung von kämpfenden Heeren, die am Ende Frieden schließen, indem die Gegner „getauft“ werden, verweist auf ein zugrunde liegendes Menschenbild. Diese Darstellungen sind nicht nur als historische Reminiszenzen aufzufassen, sondern stellen einen Vorgang der Bekehrung und Verchristlichung als Voraussetzung des Friedens dar. Das zugrunde liegende Menschenbild wird auch aus der Symbolik von Musikinstrumenten ersichtlich. Für die Betrachtung der den Darstellungen innewohnenden Auffassungen vom Menschen bietet sich der Tchiloli von São Tomé an. Ebenfalls sind die Figuren des „alten Menschen“ sowie der roça in der Bildersprache des Danço Congo für kulturantropologische Studien bedeutsam.


2003/04 | São Tomé in der World Music – Cultural Studies


São Tomé wurde 2003/04 bei einem Oberseminar zum Thema World Music an der Universität Bonn eingehend berücksichtigt. Die Popularmusik aus São Tomé wurde in ihren Beziehungen zur der von Guinea, Benin, Nigeria und Zentralafrika betrachtet. Besonders beachtet wurde die Musikproduktion in Migrantenzentren in Europa, vor allem in Paris. Dabei wurde das Musikschaffen von Gilberto Gil Umbelina und des Agrupamento Sangazuza São Tomé Gegenstand der Aufmerksamkeit. Die Bezüge zur kongolesischen Musik sowie die Verwendung von elektronischen Instrumenten wurden anhand von Africa Negra San Lena diskutiert. Die sozialen Dimensionen der sprachlichen Verwendung des Forro wurden besprochen.


Bei den Kulturstudien von São Tomé wird besonders auf Tendenzen des Denkens und Musikschaffens geachtet, die in der Gegenwart von Intellektuellen und Musikern aus São Tomé thematisiert werden. Sie entstanden vielfach aus der Erfahrung und der Lebensrealität der Migranten aus São Tomé in Lissabon und Paris. Zugleich werden bei ihnen Probleme angesprochen, die das Menschenrecht im Allgemeinen betreffen. Rassismus und Minderheiten, Überwindung von Vorurteilen und Diskriminierung stehen im Vordergrund und werden in Liedern musikalisch verarbeitet. Diese wurden beim Hauptseminar zu Cultural Studies analysiert. Bei den von den britischen Cultural Studies geprägten Überlegungen wurde u.a. eine Änderung von Kriterien bei identifikatorischen Prozessen der Migranten aus São Tomé angesprochen. Die Bestrebungen nach kultureller Differenzierung relativieren die Bedeutung des sprachlichen Kriteriums der Lusophonie.


2004 | São Tomé in Kultur- und Musikstudien lusophoner Länder Afrikas


São Tomé wurde in Lehrveranstaltungen an den Universitäten Bonn und Köln, die die Musikkultur des lusophonen Afrika und der transatlantischen Beziehungen 2004 und 2005 zum Thema hatten, besprochen. São Tomé gehört zu den Ländern Afrikas, deren Geschichte von atlantischen Beziehungen geprägt wurde. Die Kontakte der Portugiesen erfolgten von Anbeginn an über den Ozean. Die Routen und Häfen definierten einen Raum von Beziehungen, der das europäische und afrikanische Festland sowie die atlantischen Inseln umfasst. Dieses atlantische Geflecht erweiterte sich durch die Beziehungen zum amerikanischen Erdteil im Verlaufe der Entdeckungen und intensivierte sich durch den Sklavenhandel. Die Notwendigkeit, die komplexen Interaktionen von euro-afrikanischen und transatlantischen Vorgängen bei den prozessorientierten Kulturstudien zu berücksichtigen, die bei dem deutsch-amerikanischen Musikforum bereits 1983 hervorgehoben wurde, wurde hinsichtlich der Musik der lusophonen Länder Afrikas an Beispielen erläutert.


2004 | São Tomé in den inter- und transkulturellen Studien


2004 wurde ein internationales Kolloquium zum Thema „Inter- und Transkulturalität“ vom ISMPS in Zusammenarbeit mit den Universitäten Bonn und Köln in São Paulo und Rio de Janeiro durchgeführt. São Tomé wurde bei den Debatten über die Reiter- und Kampfspiele Brasiliens in Parallelen zum Tchiloli von São Tomé in ihren historischen Bezügen zur Reconquista sowie hinsichtlich des zugrunde liegenden Welt- und Menschenbildes erneut Gegenstand der Überlegungen. Dabei wurde der Stand dieser Studien aus der Perspektive inter- und transkultureller Vorgänge in beiden Kontexten betrachtet.



Materialien


Música sacra do tempo colonial e a processualidade do Colonialismo

A conquista de Ceuta e a análise de visões e imagens

O estudo do Folclore e a recepção da literatura brasileira em Cabo Verde

A sinagoga portuguesa de Amsterdam como monumento da liberdade de de-conversão

O Santo Cálix da Catedral de Valencia na análise de imagens em narrativas

O Portal da Conceição Velha da Baixa de Lisboa

Da perspectiva teórico-cultural nos estudos de concepções e expressões compostelanas

O "problema colonial" e a Liga das Nações

Política do Atlântico dos anos trinta e o seu edifício teórico-cultural

Memória do conflito com o mouro e os estudos de Semana Santa na Espanha e no Brasil

Ordens de cavaleiros na Idade Média e fundamentos ético-religiosos da expansão européia

Referencial da cultura ocidental nas tragédias de São Tomé e em representações populares do Brasil

Da Banda de couro e do seu relacionamento com São Tomé

1492 no contexto luso-atlântico-africano